Marty Lyons

Quarterbackjäger und Wohltäter

„Bout a foot. You´d better pass“, diesen Ratschlag erhielt Penn State Quarterback Chuck Fusina im Sugar Bowl.

Es ist der 1. Januar 1979 im Louisiana Superdome, New Orleans, 4. Quarter. Nach einem schlechten Pitch von Alabamas Jeff Rutledge an der eigenen 22 Yard-Linie erobert Penn State den Ball und steht ein paar Spielzüge später direkt vor der Endzone Alabamas. Es sind noch weniger als 7 Minuten auf der Uhr, der Ball liegt bei 3rd Down 1 Yard vor der Endzone. Der Spielstand? 14:7 für Alabama. Der nächste Versuch wird ein Lauf von Penn States Matt Suhey, der einen Dive in die Endzone probiert, jedoch kurz vorher aufgehalten wird. Chuck Fusina sucht danach nach dem Spot des Balls und fragt, wie weit dieser von der Endzone entfernt war. Er erhält als Antwort den obigen Ratschlag, ausgesprochen von Alabamas Linebacker Marty Lyons. Der Rest der Geschichte? Die Schiedsrichter spotten den Ball 0,5 Yards vor der Endzone. Chuck Fusina passt nicht, die Defense hält dem Lauf stand und Alabama gewinnt das Spiel 14:7. DER Goal Line Stand ist geboren, und Marty Lyons hat sein erstes, legendäres Zitat rausgehauen. Wie viel Eier muss man haben – sorry für die Wortwahl und liebe Grüße an dieser Stelle an Sandro Wagner 😉 –, um in dem bis dahin größten Spiel der Karriere so ein Ding rauszuhauen!

Diese Eier bewies der am 15. Januar 1957 in Pinellas Park, Florida, geborene Lyons auch in seinen drei Jahren bei Alabama, in denen er 202 Tackles, 6 Forced Fumbles und 4 Fumble Recovers verzeichnete. Somit blieb er auch dem Front Office der New York Jets nicht verborgen, die ihn 5 Monate später als 14. Pick wählten, um, zusammen mit dem eine Runde später gedrafteten Mark Gastineau, die zweite Hälfte der New York Sack Exchange zu bilden. Und hier ein kurzer Exkurs, um den damalig Verantwortlichen die nötige Anerkennung zukommen zu lassen. Die Jets haben es geschafft, in einer Spanne von 4 Jahren – Salaam wurde 1976 als Erster Part der New York Sack Exchange an Stelle 177 gepickt – die wohl dominanteste Front Four D-Line zusammen zu draften (!!!), die es vielleicht jemals in der Geschichte der NFL gegeben hat. Hut ab an dieser Stelle.

Die Jets starteten also mit einer extrem jungen Front Four in die Saison 1979, in der Salaam mit 26 der Älteste war. Marty Anthony Lyons, wie er vollständig heißt, bildete den jüngsten Teil der Sack Exchange. Da die Statistiken zu jener Zeit leider noch nicht so detailliert geführt wurden, fehlen genaue Angaben der einzelnen Sacks für die ersten gemeinsamen Saisons der Sack Exchange. Laut ProFootball verzeichneten die Jets insgesamt jedoch 22 Sacks und 15 Fumble Recovers, von denen 3 auf das Konto Lyons gingen. Insgesamt landete die Jets Defense allerdings nur auf dem 25. Rang, was zugelassene Points per Game betrifft. Die Saison wurde mit einer Bilanz von 8:8 abgeschlossen. Auch die 80er Saison war leider nicht von Erfolg geprägt, da diese mit 4:12 abgeschlossen wurde. In den Statistikbögen der einzelnen Spieler taucht Lyons sogar gar nicht auf, da Sacks noch nicht gewertet wurden und er weder für einen Forced Fumble, noch eine Fumble Recovery Verantwortlich war. Insgesamt verzeichnete die Jets D jedoch 28 Sacks, was eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr bedeutete.

Diese Zahl an Sacks sollte in der folgenden Saison förmlich explodieren. Geführt von einer ungemein starken Defense, die sich für 66 (!!!) Sacks verantwortlich zeigte – bei einem Ligaschnitt von 30 – rangierten die Jets bei Points per Game auf einem hervorragenden 8. Platz und erreichten mit einer Bilanz von 10:5:1 die Playoffs, in denen leider in der Wild Card Round gegen die Bills Schluss war. Fast in einer Art Vorhersehung wurde der Spitzname der „New York Sack Exchange“ in einem 81er Preseason Contest das erste Mal benutzt.

In einer verkürzten 82er Saison qualifizierten sich die Jets erneut mit einer 6:3 Bilanz für die Playoffs. Als Teil der Sack Exchange verzeichnete Lyons zwar „nur“ 1,5 Sacks, insgesamt konnte das Team jedoch erneut 20 Sacks erreichen. In den Playoffs schlug dann die Stunde Lyons´. Die Jets erreichten das AFC-Championship Game, welches leider gegen die Dolphins verloren ging. Jedoch verzeichnete Lyons je einen Sack gegen die Bengals, Raiders und Dolphins, womit er in jedem Playoffspiel der Saison seinen Statistikbogen füllen konnte.

1983 sollte die letzte Saison der vollständigen Sack Exchange werden, da Salaam nach dieser zu den Chargers getradet werden sollte. Generell war die Saison nicht sonderlich erfolgreich, die Playoffs wurden verpasst und die Saison mit 7:9 abgeschlossen. Die Sack Exchange sollte aber noch ein Mal für ein letztes, gemeinsames Hurra sorgen. Insgesamt brachten sie den gegnerischen Quarterback 48 Mal zu Boden und verzeichneten zusätzlich noch 24 Fumble Recover. 4 Sacks gingen dabei auf das Konto von Lyons.

Trotz des Endes der Sack Exchange sollte Lyons noch eine lange Zeit bei der Gang Green bleiben, und sorgte dabei auch noch für zwei Szenen, die im Gedächtnis bleiben sollten. In der Saison 86 spielten die Jets gegen die Bills, und Lyons kam etwas zu spät an QB Jim Kelly ran, um einen Sack zu landen. Er forcierte jedoch einen incomplete Pass und Rang Kelly zu Boden. Dort angekommen stieß er ein paar Mal auf Kelly ein – was brutaler klingt als es war – und es kam zur Rudelbildung. Nachdem die Schiedsrichter das Rudel auflösen konnten, kam es zu einer legendären Strafe. Erst verwechselten die Schiedsrichter die Rückennummer, und nannten nicht Lyons 93, sondern Gastineaus 99. Das wirklich legendäre allerdings war die Begründung der Strafe. So wurde Lyons bestraft „for giving him the business“!

Die zweite Szene ist die seines Blocks gegen den späteren HoFmer und Mitspieler Lyons´ aus Alabama Zeiten, Dwight Stephenson, bei dem dieser sich unglücklicherweise eine karrierebeendende Beinverletzung zuzog. Die Dolphins beschuldigten Lyons, absichtlich einen unsauberen Block ausgeführt zu haben. Stephenson selbst sagte jedoch, dass es ein sauberer Block gewesen, und er sich das Bein einfach unglücklich verdreht hätte.

Aber auch sportlich verbrachte Lyons noch erfolgreiche Jahre bei der Gang Green, die jedoch leider immer wieder von Verletzungen geprägt waren. So erreichte Lyons mit den Jets 1986 ein weiteres Mal die Playoffs, und führte sie 1988 mit 7,5 Sacks in dieser Statistik an. Während seiner Zeit bei den Jets musste er sich jedoch auch 8 Mal unters Messer legen.

1989, nach 11 Jahren Profifootball, war Schluss für Lyons, der als letzter der Sack Exchange zwar erst 1991 zurücktrat, nach 89 aber kein Spiel mehr absolvierte. Die Statistik seiner Zeit liest sich gut:

Offiziell: 147 Spiele, 29 Sacks, 2 Safeties und 8 Fumble Recover Inoffiziell: 147 Spiele, 45 Sacks (die nicht offiziell gezählten aus den ersten drei Saisons sind hier mit eingerechnet), 2 Safties und 8 FR

1984 wurde er außerdem zum NFL Man of the Year gewählt und seine 147 Spiele sind bis heute Rekord eines D-Liners der Jets.

Es wäre allerdings zu kurzsichtig, Lyons nur als harten, manchmal am Rande der Legalität spielenden Defensive End/Tackle zu betrachten, da er auch außerhalb des Footballs sehr engagiert ist. Bereits 1982 gründete Marty die Marty Lyons Foundation, die kranken Kindern Wünsche erfüllt und sich um sie kümmert. Anlass hierfür war eine Reihe an Ereignissen im Frühling 1982. Ein inzwischen 6-jähriges Kind, für das Marty wie ein großer Bruder war, starb nach langer, schwerer Krankheit. Zusätzlich starb auch Martys Vater, kurz vor der Geburt seines ersten Sohnes. All dies bewegte Marty Lyons dazu, zukünftig seine Berühmtheit dafür Nutzen zu wollen Kindern, denen es nicht gut geht, ein schönes Leben zu bereiten.

Auf Grund dieses Engagement vergeben die Jets seit 1990 den teaminternen Marty Lyons Award, für den Spieler, der der Gesellschaft in der Saison am meisten zurückgegeben hat. 2016 schloss Lyons außerdem sein Bachelor of Science Studium an der University of Alabama erfolgreich ab.
Im Jahr 2017 erlitt Lyons einen Schlaganfall, von dem er sich glücklicherweise aber wieder so gut erholen konnte, dass er wieder als Jets Analyst für das ESPN Radio arbeiten kann.

Wir können nur Stolz sein, dass wir einen so tollen Sportler, aber vor allem auch wunderbaren Menschen als großen Teil unserer Franchise History betrachten dürfen, welcher absolut zu Recht in den New York Jets Ring of Honor aufgenommen worden ist (2013). Ich ziehe den Hut vor den Leistungen Marty Lyons, einem der wohl verdientesten Titans of New York!

-Felix