Als ich mich am Montag, den 14.03.2022 abends in mein Man Cave zurückzog, erwartete ich nicht viel. Ein paar Gerüchte. Ein paar Wünsche. Nix Großes. Ich erwartete zurückhaltend agierende Jets zu Beginn der Free Agency 2022. Ich weiß nicht warum. Es war nur ein Bauchgefühl. Manchmal schön, wenn man sich irrt. Denn die Jets dürften sich Zurückhaltung nicht leisten. Zu viele Baustellen im Kader. Zu schlecht hat man die letzte Saison abgeschnitten.
Natürlich gab es für die verkorkste Saison Gründe. Ein paar davon sind sogar sehr plausibel. Aber das Profisportgeschäft lebt am Ende nicht vom Geld allein. Am Ende sollte man auch irgendwas gewinnen.
Nur von der ein oder anderen positiven Entwicklung kann man sich nix kaufen. Vor allem für einen General Manager sind Siege wie eine eigene Währung. Damit kann er sich mehr Zeit auf seinem Posten erkaufen.
Die Jets überraschten mich also mit Aktivität. Schauen wir uns also mal an, was so gemacht wurde und versuchen dann mal ein erstes Fazit zu ziehen.
Die Abgänge:
Nicht alle Spieler wurden zurückgeholt. Die Jets haben Spieler „verloren“. Ob und wie man sich darum bemüht hat sie zu halten, können wir nur spekulieren. Ich bin sowieso kein Freund von einseitig betrachtetem GM Bashing. Hinter jedem Spieler steckt ein Agent, eine Persönlichkeit, eine Geschichte, eine Herkunft und eine Familie. Und all das beeinflusst, neben dem lieben Geld, seine Entscheidung wohin er geht oder wo er bleibt. Dazu kommen noch so banale Dinge wie Steuerrecht und Wetter. Florida zum Beispiel bietet Einkommenssteuerfreiheit und Sonnenschein. New York bietet dir dagegen schlechtes Wetter, viel Verkehr, einen der höchsten Steuersätze und New Jersey. Dagegen halten kann man nur mit dem größten Fernseh- und Werbemarkt der Welt. Um den nutzen zu können, muss man aber schon einen Namen im Football haben. Bell oder sowas. Aber das ist ein anderes Thema. Sprechen wir von den Spielern, die jetzt weg sind.
Die Jets verlassen haben
- Marcus Maye, Safety
- Foley Fatukasi, DT
- Jarrad Davis, ILB
- Jamison Crowder, WR
- Morgan Moses, RT
Ich bin bei so etwas weniger emotional als andere. Der Weggang von einem Crowder tut mir weniger weh als anderen. Natürlich kann ich es ein wenig nachvollziehen. In einer Offense, die aussah wie ein großer Kuhfladen, war er das Röschen, welches darauf wuchs. Aber er verdiente 10 Millionen fürs verletzt sein, Berrios verdiente weniger und siehe da war genauso gut. Für mich also alles ok. Ich werde jedes dieser Worte bereuen, wenn er uns jetzt zweimal pro Saison so richtig den Allerwertesten versohlt. Aber grundsätzlich gehören Slot Receiver eben zu den schneller ersetzbaren Positionen im Football. Neben Berrios können das auch Smith, Moore und als Big Slot auch mal Davis. Wie viele reine Slot Receiver braucht man? Der Versuch einen Tyreek Hill per Trade zu bekommen, zeigt dass die Jets noch mindestens einen haben wollten. Aber spielt Hill die gleiche Rolle wie ein Berrios? Nein. Hill geht vertikal. So eine Rolle ist in der Offense der Jets noch nicht präsent. Achtet also bei weiteren Tradekandidaten und im Draft auch auf Spieler, die als Vertical Slot bezeichnet werden. Lange Rede, kurzer Sinn, Crowder schmerzt emotional mehr als sportlich. Crowder ist jetzt bei den Bills.
Anders ist es da bei Fatukasi. Ja, viel konnte der nicht. Vor allem gegen den Pass. Aber was er konnte, konnte er richtig gut. Ein Baum von einem Run Stopper unter den sogenannten 3-Techniques. Unter den was? Ich erkläre es kurz: Die Schultern des Centers tragen die Nummern 1. Die dem Center zugewandten Schultern der Guards die 2. Die den Tacklen zugewandten Schultern der Guards die 3. Wer also diese Schultern attackiert, ist ein sogenannter 3-technique. Stand jetzt wurde diese Rolle nicht wirklich ersetzt. Man hat den Run Stop durch die Secondary verstärkt, aber nicht den an der Line. Schade, dass er weg ist. Fatukasi ist jetzt bei den Jaguars (ihr wisst schon, steuerfreier Sonnenschein).
Marcus Maye stand lange im Schatten von Adams. Gleichzeitig mit dem Schlagzeilenmacher gedraftet worden zu sein war einfach undankbar. Und dann kamen noch Verletzungen dazu. Maye war ein toller Safety, der die Rolle als Single-High-Safety optimal beherrschte. Kein Wunder, dass New Orleans hier zuschlug. Die brauchten genau das und sparten etwas Geld. Den Preis fallen und das Interesse der Jets schwinden, ließ eine schwere Verletzung ausgerechnet im letzten Vertragsjahr. Maye ist jetzt bei den Saints.
Moses und Davis waren der Inbegriff von solide. Das ist bei einem Tackle aber positiver zu bewerten als bei einem 4-3 Middle Linebacker. Der soll quasi der QB der Defense sein. So einen Moses im Team zu haben ist schon gut. Aber er sieht sich zu Recht einfach nicht als Backup und die Jets planen mit Fant und Becton. Diese Trennungen waren also vorprogrammiert. Davis ist jetzt bei den Lions, Moses bei den Ravens.
Bei den Jets geblieben sind:
- Dan Feeney, G/C
- Joe Flacco, QB
- Nick Bawden, FB
- Conor McDermott, LT/RT/G
- Tevin Coleman, RB
- Brexton Berrios, WR
- Nathan Shepherd, DT/DE
- Lamarcus Joyner, S
- Will Parks, S
Zu den Jets gekommen sind:
- Laken Tomlinson, G, vorher 49ers
- J. Reed, CB/S, vorher Seahawks
- J. Uzomah, TE, vorher Bengals
- Tyler Conklin, TE, vorher Vikings
- Jordan Whitehead, S, vorher Buccaneers
- Jake Martin, Edge, vorher Texans
- Greg Zuerlein, Kicker, vorher Cowboys
- Solomon Thomas, DE/DT
Bei den Resignings können wir Brexton Berrios hervorheben. Reiner Slot Receiver aber wenigstens auch stark in den Special Teams. Gehalt passt auch und die Chemie mit Wilson sowieso. Die wurde in der Offseason auch noch durch gemeinsames Training und Golfen gestärkt.
Bei allen anderen Resignings bleibt auch nicht viel zu meckern. Der eine muss weniger Flaggen kassieren, der andere weniger verletzt sein. Eine gewisse Daseinsberechtigung haben sie aber alle und insgesamt stimmt die Kasse. Vor allem auf Joyner bin ich gespannt. Ein ganz starker Safety, bis jemand bei den Raiders einen Hirnfurz gelassen hat und ihn zum CB gemacht hat. Ihn auf seiner angestammten Position zu sehen, blieb uns durch eine Verletzung verwehrt. Hoffen wir auf dieses Jahr.
Ich werde hier jetzt nicht lange auf jeden einzelnen Neuzugang eingehen. Ich habe schon viel geschrieben und es würde jeglichen Rahmen sprengen. Außerdem haben wir das schon im Podcast getan. Den hört ihr nicht? Das solltet ihr ändern 😉
Wenn man etwas versteht, kann man es besser akzeptieren. Akzeptanz und Verständnis hängen sehr oft miteinander zusammen. Sogar in der Free Agency der NFL. Was ich hier sehe ist ein Plan. Es ist was ich auch tun würde. Ich verstehe es und kann es nachvollziehen. Deshalb kann ich wenig dagegen sagen.
In vielen Gruppen wurde viel über die Baustellen der Jets gesprochen. Und viele, viele Meinungen stimmten hier überein. Wir brauchen noch jemand für die O-Line. Und was macht Joe Douglas? Er holt jemand für die O-Line. Verstanden. Akzeptiert.
Die weiteren Maßnahmen folgten dem gleichen Prinzip.
Secondary? Sehr gerne doch. Reed kann CB, notfalls Safety und ist sofort der beste Spieler auf CB. Spieler für Tiefe und Rotation? Kein Problem. Vor allem auf der D-Line dringend nötig. Bis zu zehn Spieler setzt Saleh hier pro Spiel ein. 37% des Caps haben die 49ers zeitweise in ihre D-Line investiert. Man kann also mit noch mehr Investitionen hier rechnen.
Ein zuverlässiger Kicker könnte doch brauchbar sein, oder? Klar!
Und ob wir noch einen Tight End haben könnten? Einen!? Pah! Ihr bekommt zwei!!! Seit Jahrzehnten, ich wiederhole: JAHRZEHNTEN! hatten wir kein gutes TE Duo mehr bei den Jets. Da gab es mal den einen oder anderen kurzen Lichtblick aber Uzomah und Conklin brauchen nur eine Handvoll Bälle fangen um all ihre Vorgänger zu übertreffen. Ja, der eine ist schon älter und kommt von einer Verletzung und der andere kam erst auf als seine Konkurrenten weg oder verletzt waren, aber wie schon gesagt, wir wurden auf der Position keinesfalls verwöhnt. Klares Doppelupgrade.
Ein Plan. Jedem ersichtlich. Sehr gut.
Trotzdem möchte ich aufkommende Euphorie gleich etwas dämpfen. Ein wenig fehlte dann doch der Mut, für den ganz großen Fang in dieser FA. Einerseits gut. Das Konto wird auch in den nächsten Jahren nicht im Minus sein. Andererseits sind es die Elitespieler, die ein Team in die Playoffs bringen. Elite. Dieses Wort klingt nach genau dem was es bedeutet. Selten und teuer. Ergibt sich die Chance, muss man zuschlagen. Mit Tyreek Hill hat man das probiert. Lassen wir das moralische Dilemma, welches diese Verpflichtung mit sich gebracht hätte, hier mal kurz außen vor. Rein sportlich ist das ein Spieler, der sofort helfen kann die Offense und vor allem Zach Wilson weiter zu bringen. Irgendwann, besser früher als später, muss so einer her.
Aber für den Moment hat Joe Douglas das Grundprinzip der Free Agency umgesetzt. Er hat das Team besser gemacht. Und nicht nur das. Wichtige Starterpositionen sind zumindest solide besetzt. Und der Draft steht noch bevor. Eine sehr luxuriöse Ausgangsposition.
Joe Douglas kann in diesem Draft einiges schaffen. Mit den ersten Picks für zukünftige Starter, mit den späteren für solide und günstige Backups sorgen. Die fehlten bisher und mussten bezahlt werden. Da mal ein Milliönchen, da mal zwei und schon reicht der Gesamtcap nicht mehr für das eine Big Splash Signing, dass man vielleicht in der Free Agency geplant hatte. All das könnte nach 2022 der Vergangenheit angehören. Natürlich müssen die Picks dafür sitzen und das Verletzungspech sollte sich mal einen anderen Aufenthaltsort suchen. Aber das alles klingt doch schon mal besser als wir das in der Vergangenheit schon hatten.
Fazit:
Der Job ist noch nicht erledigt. Wir sind noch nicht fertig und andere Teams schlafen auch nicht. Die Pressekonferenzen von Douglas und Saleh bestätigen das. Wie und wann man seine Vorsätze umsetzen kann, können wir nur erahnen. Bekommen wir unseren Elite Receiver? Was wird er kosten? Wird es das wert sein? Uns bleibt nichts anderes als abzuwarten. Die 2022er Jets könnten Spaß machen. Das Playoff Rennen wirkt trotzdem weit weg. Aber statt bereits immer schon Ende September davon eliminiert zu sein, könnte man mit diesem Team durchaus noch im November dabei sein. Die Verantwortlichen der Jets wollen sogar im Dezember noch bedeutende Spiele bestreiten. Für mich fehlt dazu noch etwas. Ich kann nicht genau sagen was es ist. Viele Möglichkeiten und Variablen lassen mich keinen Gedanken zu einem klaren Ende bringen. Aber wenn der 53 Mann-Kader der Jets Ende August steht und dieses „Etwas“ mit dabei ist, werde ich es erkennen. Und dann könnten wir ein Team sehen, das uns zwar noch nicht in die Playoffs aber doch wenigstens raus aus der sportlichen Bedeutungslosigkeit führt. Das wäre doch schon was.
Take Flight,
Heiko (Jimmy Tschanga)