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New York Jets

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Miami Dolphins
Dies war eine Konversation zwischen Gerhard Delling und Günther Netzer, welche der Auftakt zu einem legendären Interview vom damaligen Bundestrainer Rudi Völler war. Die deutsche Fußballnationalmannschaft hatte bei der EM-Quali gerade 0:0 bei Island gespielt und die beiden Experten der ARD waren offensichtlich nicht zufrieden damit.
 
Wie die damaligen Kicker für Schwarz-Rot-Gold schafften es auch die Spieler der Gang Green an diesem Sonntag nicht, etwas Zählbares aufs Scoreboard zu bringen – ein Vergleich der wahrlich hinkt, passiert so etwas im Fußball ja doch um einiges häufiger als beim Football. Um etwas genauer zu werden sei erwähnt, dass die Jets in der Saison 2020 das erste Team sind, welches keinerlei Punkte erzielen konnte, sowie das erste Team seit 2014 sind, das es nicht geschafft hat, gegen die Dolphins zu punkten.
 
Aber der Reihe nach. Die erste Hälfte lässt sich auf offensiver Seite des Balls schnell zusammenfassen:
Punt, Punt, Punt, Punt, Interception, Punt, Punt und Ende der Halbzeit.
Insgesamt konnte man 77 Yards bei 32 Plays generieren und hatte sage und schreibe sechs 3 & Outs gesammelt. Auch defensiv wurden, auch aufgrund der schlechten Offense, einige Punkte zugelassen. Konnte man die Dolphins bei deren ersten Drive noch zum Punt zwingen, folgten danach zwei erfolgreiche Touchdown-Drives, bei denen Fitzpatrick erst Adam Shaheen und dann Preston Williams für je drei Yards in der Endzone fand. Direkt nach dem Two-Minute Warning folge der dritte Touchdown-Pass, diesmal aus vier Yards Entfernung, auf TE Durham Smythe, der so seinen ersten Karrieretouchdown verbuchen konnte.
 
Die zweite Halbzeit fasse ich in diesem Review auch nur kurz zusammen, um danach auf ein paar Spielsituationen zu sprechen zu kommen, die die momentane Lage der Jets widerspiegeln. Auch wegen des deutlichen Ergebnisses konnten die Phins bei einem Field Goal gehalten werden, man selbst verbuchte jedoch wieder vier Punts, ein Missed Field Goal und ein Turnover on Downs, sodass am Ende ein klares, und in keinster Weise spannendes 0:24 steht.
 
Nun zu den Dingen und Spielsituatioinen die erwähnenswert sind:
 Während der Woche kritisierte unser DC Gregg Williams mehr oder weniger direkt die Offense, indem er diese mit dafür verantwortlich machte, dass die Jets Defense derartig viele Punkte kassiert. Dieses entstehende Feuer erhält nach dem Spiel vom Wochenende erneut Futter, da die Defense wieder einmal das Turnover Battle mit zwei Interceptions für sich entscheiden konnte – die Butt-Interception durch Marcus Maye war wohl eine der Szenen des gesamten NFL-Spieltags, leider jedoch komplett unerheblich für das Ergebnis. Generell weist die Defense im Großen und Ganzen gute PFF-Grades auf, vor allem Brian Poole und Marcus Maye stachen mit Bewertungen von über oder knapp unter 90 heraus. Allerdings zeigte auch die D-Unit Schwächen und ließ ihrerseits sechs Plays von 15 oder mehr Yards zu. Dennoch, mit etwas mehr offensiver Durchschlagskraft – oder überhaupt einmal offensiver Kraft – hätte auch dieses Spiel offen gehalten werden können. Doch stand sich unsere Offense mal wieder selbst im Wege.
 
Nach der besagten zweiten Interception weit in der Häfte der Dolphins angekommen, ließ sich Joe Flacco sacken; für einen Raumverlust von 28 (!) Yards! In seiner gesamten NFL Karriere hat Flacco gerade einmal zwei Rushes gehabt, die genauso lang oder länger waren… Nuff Said. Bereits vorher war Flacco bereits negativ in Erscheinung getreten, als er, nach einem der wenigen guten Drives – begünstigt durch ein Big Play durch Ty Johnson – für Intentional Grounding bestraft wurde und so aus einem sicheren Field Goal einen 55 Yarder machte, der daneben flog. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, kam der designierte Zukunfts-Franchise-Quarterback Tua Tagovailoa auch noch zu seinem NFL-Debüt. Nach sechs Spieltagen stehen die Jets jetzt somit bei 0-6 und 12.5 Points per Game. Damit sind wir das einzige Team der gesamten Liga, das weniger als 15 Punkte pro Spiel erzielt, und nur eins von dreien, welches weniger als 20 Punkte macht – die anderen beiden sind die Giants und das Football Team aus Washington.
 
Sind wir also nun am absoluten Tiefpunkt angekommen?
 
„Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören. (…) Was ihr euch alle einbildet, was für einen Fußball (im Fall der Jets natürlich Football) wir spielen müssen?!“
 
Würde jemand wie Rudi Völler eventuell antworten. Ja, was bilden wir uns ein? Beziehungsweise, anders formuliert, was erwarten wir denn zur Zeit von den Jets? Die ersten fünf Spieltage haben ja gezeigt, was – vor allem offensiv – unter HC Adam Gase zu erwarten ist: nicht viel. Hinzu kommt, dass unser bester Line Spieler angeschlagen gefehlt hat und unsere, vom Talent her sowieso nicht besonders starke Offense, von einem alternden Quarterback getragen werden soll, welcher immerhin zeigt, dass Sam Darnold nicht das Problem zu sein scheint. Mit einem PFF Grade von 32.6 hätte Joe Flacco auf jeden Fall den Anti-Game-Ball-Award verdient. Spielerisch kann und sollte man eventuell unter den momentanen Umständen gar nicht (viel) mehr erwarten. Was man allerdings erwarten könnte, wäre entweder ein Head Coach, der ähnlich engagiert an der Seitenlinie und in Pressekonferenzen agiert, wie der ehemalige Nationaltrainer Rudi Völler seiner Zeit, oder aber das Reagieren auf eben jenes Fehlen eines solchen Engagements durch die jeweiligen, entscheidenden Personen.
 
Denn wenn man schon mit wenig oder gar keinen sportlichen Ansprüchen als Fan in ein Jets Spiel geht, so sollte zumindest gezeigt werden, dass:
 
  • die Spieler, wie limitiert sie auch sein mögen, zumindest den Eindruck erwecken, ihr Bestes zu geben
  • die Spieler hinter dem Trainer stehen
  • es im Team eine Entwicklung gibt
  • der gesamte Staff an einem Strang zieht
  • Talente in ihrer Entwicklung gefördert oder zumindest bestmöglich evaluiert werden
 
Eben jene Attribute sah man im letzten Jahr bei den Dolphins und sieht man dieses Jahr sowohl im Football Team aus Washington sowie bei unseren blauen Nachbarn. Leider vermittelt die Jets Franchise eben jenes nicht. Ist der Tiefpunkt also nach diesem Blow-Out erreicht? Auf sportlicher Ebene könnte man zumindest davon ausgehen. Jedoch liegt hier drin auch die Hoffnung. Enttäuschender kann es im Grunde nicht mehr werden. Darüber hinaus gibt es im amerikanischen Sport, anders als in den meisten europäischen Profiligen, nur zwei sinnvolle Positionen in Bezug auf den sportlichen Erfolg. Entweder man ist – oder sieht sich – als ernsthaften Contender, um um den Titel mitzuspielen. Oder man gehört zum Bodensatz der Liga. Denn während im europäischen Profisport bessere Endplatzierungen mit höherem Geld und besserer Zukunftsperspektive belohnt werden, wird im US-Sport der Leistungsschwächere mit der Möglichkeit ausgestattet, zur Chancengleichheit sein Team zuerst mit neuen Talenten zu verstärken. Hierauf sollte jetzt auch das Augenmerk für die restliche Saison gelegt werden. Joe Douglas hat bereits einiges an Picks für die nahe Zukunft generiert, und weitere Trades scheinen wahrscheinlich. Anhand der Umsetzung eben jener Picks hängt somit die mittel- und langfristige Zukunft der Jets-Franchise. Eventuell wird zukünftig der derzeitige Tiefpunkt der Jets in einem anderen Licht dastehen, ja eventuell sogar als Wendepunkt gelten. Jedoch scheint immer mehr und mehr klar zu werden, dass es dafür vermutlich einen anderen Coaching Staff braucht. Time will tell. Bis es soweit ist trinke ich locker meine drei Weizen, überlege mir schon mögliche Zitate für die nächsten Reviews und hoffe, dass wir zumindest einen Sieg in der diesjährigen Saison der Jets sehen, weil das doch Balsam auf der Seele wäre.

Zum Abschluss hier das Ergebnis der Wahl des Gameballs und des Spencer-Long-Awards.

Felix