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Senior Bowl 2021

von Per Hausfeldt

Prospect Evaluation

Nach einer langen Woche in Mobile ging das Spiel am vergangenen Samstag zu Ende. Das National Team, gecoached von Dolphins Head Coach Brian Flores, konnte das Match am Ende mit 27:24 gegen Matt Rhules American Team für sich entscheiden. Das sportliche Resultat spielt bei der Veranstaltung natürlich nur eine untergeordnete Rolle, dennoch konnte man nach ein paar Startschwierigkeiten noch ein interessantes Spiel beobachten. Zum MVP wurde am Ende Quarterback Kellen Mond von der Texas A&M University gewählt. Er gilt als möglicher Day 2 Pick, der mit ein wenig Entwicklung seinen Weg in der NFL machen könnte. Er bringt vier Jahre Erfahrung als Starter im College mit und könnte sich mit seiner Performance bei einigen General Managern auf Quarterbacksuche weiter nach oben in den Notizbüchern gespielt haben.

Doch es gab im Verlauf der Woche und des Spiels noch andere Prospects, die positiv aufgefallen sind und ihren Draftstock boosten konnten. Zwei weitere möchte ich euch damit heute nach längerem Tapestudium vorstellen.

Der erste ist Creed Humphrey, Center von der University of Oklahoma. Humphrey war die Woche über beim Senior Bowl klar der beste Center und seine Erfahrung zeigte sich auch am Samstag. Wann immer er auf dem Feld war, lief die Offense des National Teams flüssiger. Es wirkte teilweise so, als würde er auch die Leute um sich herum stabilisieren. Im College konnte er das auch schon über Jahre beweisen. Mit ihm auf Center bildeten die Sooners in den letzten drei Jahren immer eine Top 10 College Offense. Humphrey weist zudem eine Besonderheit auf, die unter Centern sehr selten ist: Er ist Linkshänder. Dadurch ändert sich im Ablauf eigentlich nichts, dennoch hat es davon noch kaum welche in der NFL gegeben. Mit seinen 39 hochqualitativen Starts im College hat Humphrey aber beweisen können, dass dies kein Hindernis für die Position ist.

Creed Humphrey

  • Position: Interior Offensive Line
  • School: Oklahoma
  • Current Year: Junior
  • Height: 6’4 5/8′′
  • Weight: 312 pounds
  • Wingspan: 79′′
  • Arm: 31 3/4′′
  • Hand: 9 5/8′

Player Profile auf der Homepage der Uni

Tape

Es ist nicht immer einfach, Center zu scouten. Nicht selten werden sie gegen die 4-3 Defenses im College nicht direkt attackiert und sind damit meistens in Double Team Blocks, wo sie nach dem Snap nur zur Hilfe kommen müssen. Humphrey macht aber einfach auf sich aufmerksam – ob man will oder nicht. Er hat seit seiner ersten Saison 2018 keinen einzigen Sack mehr zugelassen und das, obwohl man regelmäßig sieht, wie er die Protection Schemes vor dem Snap so anpasst, dass er selbst einen Spieler als Single Block übernimmt. Auch im Run Block fällt Humphrey regelmäßig auf, indem er seinen Gegenspieler noch 10 Yards Downfield dominiert und wegschiebt. Sein Hand Placement ist technisch unheimlich weit entwickelt. Hier kommt ihm sein Wrestling Background zugute. Sobald er seine Hände an den Defensive Tackle bekommt, ist der Snap over. Holding Penalties sucht man bei ihm ebenfalls vergeblich. Einen technisch so weit entwickelten Center bekommt man im Draft selten zu sehen.

Stärken

  • Pass Protection ist pro Ready, keine verschwendete Bewegung
  • Extrem guter Anchor, kann vom Bull Rush nicht bewegt werden
  • Handtechnik auf sehr hohem Level, setzt immer den ersten Punch
  • Starkes Tape auch gegen NFL Talent (Quinnen Williams, Jonathan Allen)
  • Dominantes Run Blocking in Bewegung, verliert nie die Balance
  • Fußarbeit ebenfalls sehr konzentriert, starke Mirror-Ability
  • Hebt sichtlich das Level seiner Mitspieler an – vier Draft Picks aus der Line um ihn herum in zwei Jahren
  • Hat Erfahrung mit Protection Calls, dürfen die meisten College Center nicht
Schwächen
 
  • Seine Armlänge wurde beim Senior Bowl recht kurz gemessen, könnte konservative Scouts abschrecken
  • Gilt nicht als Top End Athlet

Zusammenfassung und Fits

Creed Humphrey ist für mich ein Pro Ready Day 1 Starter ohne besondere Red Flags. Er bringt alles mit, was man sich wünscht: mehrere Jahre Erfahrung auf höchstem Level, gewählter Team Captain, High Character Guy und fällt mit Splash Plays als Blocker auf. Ich halte ihn zudem für sehr systemvariabel. Er hat bereits gezeigt, dass er sowohl als Power Blocker auf dem Spot oder in Bewegung als Zone Blocker effektiv sein kann. Zudem wird er von seinen Teamkollegen als Quarterback der Offensive Line bezeichnet und könnte zum Beispiel für einen jungen Quarterback direkt eine wertvolle Stütze bei der Zuordnung der Blocking Assignments sein. Ich denke, Humphrey ist einen Zweitrundenpick wert und man wird seinen Namen auch früh an Day 2 des Drafts hören. Wer auch immer ihn auswählt, erhält eine sofortige Verstärkung für seine Line.

Aber mal abgesehen von Offensive Line Spielern gab es beim Senior Bowl auch noch andere Standouts. Der interessanteste für einige Jets Fans ist tatsächlich Mac Jones, Quarterback der University of Alabama. Er gilt ja seit einigen Wochen als der fünfte, theoretische First Round Quarterback dieser Class, der sich durch seine starke letzte Saison in Tuscaloosa überhaupt erst ins Bewusstsein der NFL Scouting Gemeinde gespielt hat. Es gibt aber auch jede Menge Zweifler, die der Meinung sind, Jones wäre nur ein System Quarterback der ausschließlich durch den Reichtum an Waffen um ihn herum gut aussehen würde und eigentlich gar keinen Hype Richtung NFL verdient hätte. Die Wahrheit liegt wie meistens irgendwo in der Mitte. Was für ein Prospect ist Mac Jones genau und wie ist er in Richtung NFL einzuschätzen? Damit habe ich mich hier versucht zu beschäftigen und eine Antwort zu finden.

Mac Jones

  • Position: Quarterback
  • School: Alabama
  • Current Year: Redshirt Junior
  • Height: 6’2 5/8′′
  • Weight: 217 pounds
  • Wingspan: 79 1/8′′
  • Arm: 32 1/2′′
  • Hand: 9 3/4′

Player Profile auf der Homepage der Uni

Accuracy
 
Sehr genauer Werfer, gerade bei kurzen und intermediate Throws. Besonders gut darin, Receiver in vollem Lauf perfekt zu treffen, sodass sie nicht abstoppen oder zum Ball adjustieren müssen. Seine jahrelange Erfahrung im System bei Alabama wird hier dafür sorgen, dass er, ohne viel nachdenken zu müssen, den Ball immer schnell an den richtigen Spot bringt. Trotzdem ist seine beste Eigenschaft, seine Accuracy, ein nicht zu unterschätzender Grund für die überwältigende Offense der Crimson Tide und für die vielen RAC-Yards, die DeVonta Smith und Najee Harris sammeln konnten. Seine 84.2 % adjusted completion Percentage war gut für den ersten Platz im PFF College Ranking und lag damit noch vor Joe Burrow im letzten Jahr. Zur Geschichte gehört aber auch, dass er über die ganze Saison nur 44 Würfe in enge Fenster werfen musste.

Mechanics

Wirkt nicht sehr dynamisch in seinen Dropbacks, verfügt aber über einen guten, schnellen Release, der keine unnötigen Hitches oder andere Energie verschwendende Bewegungen beinhaltet. Sein Footwork ist ebenfalls solide. Seine Dropbacks sind zwar langsam aber kontrolliert. Er wirft in der Regel sofort, sobald er die Spitze des Dropbacks erreicht und generiert so seine starke Accuracy durch gute Fundamentals und produziert dabei auch mehr Power, als man ihm zutraut. Selten under Center, aber das hat er auch schon gemacht. Eine Transition wie damals bei Jared Goff ist mit gutem Coaching möglich. Auch bei Rollouts fairly accurate, sinkt hier aber gelegentlich die Wurfschulter ab, wodurch Power verloren geht. Insgesamt ein gut trainierter Quarterback ohne wilde mechanische Probleme.

Antizipation

Durchaus im Stande, den Wurf abzufeuern, bevor der Receiver den Kopf überhaupt dreht. Wurde aber bei den weit offenen Passempfängern selten regelmäßig gefordert, den Ball mit viel Antizipation zu werfen. Positiv stechen hier aber diverse Comeback Routes heraus, bei denen er den Ball dann mit Antizipation rechtzeitig anbrachte.

Pocket Verhalten

Hat mit 2.51 Sekunden im Durchschnitt mit die meiste Zeit aller QB’s im College Football zu werfen und das trotz der vielen designten Screens, die sofort rausgehen. Seine Oline war meistens so überlegen, dass Jones hier nur selten überhaupt klassisches Pocket Verhalten zeigen musste. Was er aber regelmäßig gezeigt hat, ist das in die Pocket treten, um schnellen Edge Rushern auszuweichen und damit auf einfache Weise das Play zu verlängern.

Mobilität

Jones ist eine Statue in der Pocket. Er verfügt über keine nennenswerte Athletik, dennoch zeigte er gegen Ohio State im Championship Game den einen oder anderen guten Scramble. Funktional ist wohl die beste Beschreibung dafür, dennoch wird er NFL Verteidigern und ihrer starken Athletik nicht weglaufen oder groß ausweichen können. Wird ein klassischer Pocket Passer in der NFL ohne eigene Run Fahigkeiten.

Progressions

Absolut in Sync mit seiner Offense. Innerhalb kürzester Zeit von einem Read zum anderen, auch wenn hier natürlich zu sagen ist, dass er selten mal weiter als Read zwei musste, da der meist schon offen war. Hat 591 Yards seiner Statistiken nur durch Screens erhalten, was für eine Rolle als reiner Ballverteiler in einer Quick Read Offense spricht, die klar definiert ist. Dennoch ist es positiv, dass er nicht an einem Read hängenbleibt. Ist im Stande, schnell weiter zu gehen, wenn jemand nicht offen ist. Mit entsprechender Erfahrung in einem System sollte diese Fähigkeit übertragbar sein.

Arm Strength

Fällt nicht durch Power Würfe auf. Generiert durchaus Distanz, wenn er will, aber wird niemals den Ball vom Backfoot, wie ein Josh Allen, 60 Yards das Feld herunterbekommen. Sein average depth of Target betrug nur 8.8 Yards, was auch dafür spricht, dass Alabama seine Fähigkeiten einzuschätzen wusste und deswegen auf eine Kurzpassoffense setzte. Weniger Power als sein Vorgänger, Tua Tagovailoa, ist im Vergleich sichtbar. Kurioserweise führt er die NCAA trotzdem mit 1355 Deep Yards an, was für seine Accuracy und die Offenheit der Passempfänger spricht. Gerade zwischen den Nummern mit toller accuracy auch über 20 Yards das Feld herunter, allerdings ausschließlich durch Touch Würfe. Außerhalb der Hashes fairly underwhelming.

Under Pressure

Hier gibt es sehr wenig Beweismaterial. Wie schon erwähnt, war er kaum mal wirklich unter Druck und die Natur des Kurzpassspiels minimiert hier auch möglich Drucksituationen. Auch hier muss man ihm aber zugutehalten, dass er den Ball nicht wild wegwirft oder Turnover produziert, wenn er mal in der Situation ist. Nur 2,5 % turnover worthy plays under pressure unterstreichen das. Ab und an sieht man ihn sogar mit seinen Augen einen Safety halten, um woanders einen Spieler frei zu bekommen. Seine Entwicklung ist also noch keinesfalls abgeschlossen.

Red Flags

Hier ist natürlich von A-Z die Offense zu nennen, aus der kommt. Das Team um ihn war das ganze Jahr seinen Gegnern so haushoch überlegen, dass er oftmals non-competitive Football spielen musste und hauptsächlich damit betraut war, es nicht zu ruinieren. Und das hat er auch nicht getan. Ob er in der NFL aber jemals mehr als ein Game Manager sein kann, ist absolut fraglich. Zudem hat er bis in sein viertes Jahr gebraucht, um den Starterposten zu erringen.

Beste Eigenschaft: Accuracy

Schlechteste Eigenschaft: Playmaking Ability

Fazit

Mac Jones ist für mich ein schwer zu greifender Spieler. Einerseits glaube ich, dass seine starken Game Manager Fähigkeiten auch in der NFL zu Erfolg führen werden, anderseits ist die Frage, wie gut das Team um ihn sein muss, um damit tatsächlich dauerhaft gewinnen zu können. Und als Erweiterung: braucht man überhaupt einen der fünf Game Changing Quarterbacks der Welt, um auf Jahre erfolgreich zu sein? Wenn man bereits ein gutes Umfeld hat und mit einem besseren Game Manger auf Sicht zufrieden ist, der auch vier bis fünf Jahre lang günstig sein wird, dann ist Mac Jones nicht die schlechteste Wahl. Die Frage, was das einem NFL Team im Draft wert ist, ist quasi in Erweiterung die Frage, wie gut der eigene QB sein muss. Ich glaube, als potenzieller langfristiger Starter ist Mac Jones einen späten First Round Pick wert. Andererseits ist auch klar, dass Mac Jones wohl nie ein großer Playmaker sein wird. Er ist ein guter Fit für einige Contender Teams, die einen günstigen Starter brauchen. Einen Top 10 Pick ist er meiner Meinung nach aber nicht Wert.

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