Joe Klecko
Canton must call
Wenn ich die Augen schließe und an Football denke, ist die erste Szene die mir durch den Kopf schießt, das Aufeinanderprallen massiger Körper direkt nach dem Snap. Ein lautes „Hut!“. Das Abdrücken vom Boden. Nach vorne schnellende Helme. Ein beinahe synchrones Aufstöhnen wenn beim Aufprall die Luft aus den Lungen gepresst wird. Das Krachen der Panzer. Für mich jedes Mal Gänsehaut. Und seit ich das erste Mal von ihm gehört habe, ist er mittendrin. Auf der Defenseseite steht er. In meiner Vorstellung ist er vermutlich 2,50 m groß, wiegt 500 Kilo, hat den finsteren Blick eines Dämons und schiebt Oliner mit nur einer Hand beiseite, als wären sie nur Pappkameraden, bevor er den Quaterback wuchtig unter sich begräbt.
In Wirklichkeit bringt er es auf 1,91 m und 120 kg. Sein Gesicht wirkt freundlich und mit seiner blonden Mähne sieht er eher nach Surfer aus. Er brauchte dann doch immer mal wieder beide Hände bei der Arbeit und für den Quaterback musste es nicht immer ein harter Tackle sein. Den konnte man auch packen und zu Boden schleudern.
Und das war es, was dieser Mann beherrschte wie kaum ein anderer.
Die Rede ist von einem Member der legendären New York Sack Exchange. Die Rede ist von Joe Klecko! Und darüber das Joe Klecko NICHT in der Hall of Fame ist! Ich werde mich während des Schreibens sehr zusammenreißen müssen das nicht nach jedem Satz mahnend zu erwähnen. Es gibt nur wenige Dinge die ich weniger verstehe. Mit dieser Meinung stehe ich alles andere als alleine da. Aber schauen wir doch erst mal wie weit der Weg für Joe Klecko war und warum sich über seine Abwesenheit in der HoF so viele Menschen aufregen.
Klecko besuchte die High School. Eigentlich könnte seine Geschichte hier schon enden wenn Joe Klecko nicht ehrgeizig und ein schlechter Verlierer wäre. Für Football sollte es die ersten Jahre jedenfalls nicht reichen. Ein Coach soll ihm mal geraten haben, besser nach Hause zu gehen bevor er sich noch weh tun würde. Das tat er zunächst auch. Zu schüchtern sich der Herausforderung an Ort und Stelle zu stellen, verdrückte er sich erst mal. Aber er nutzte die Zeit ohne Football. Den Sommer verbrachte er damit an Autos für Dragrennen zu schrauben, seinem Onkel in dessen Firma zu helfen, 8 cm zu wachsen und 30 Kilo schwerer zu werden. Was man halt im Sommer so macht…
Er schaffte es ins Team und wurde als Defensive End aufgestellt. In seinem letzten High School Jahr entpuppte er sich als All-State-Performer. Aber ein gutes, letztes High School Jahr reicht manchmal nicht. Collegeangebote blieben also aus.
Klecko landete zunächst in einer Amateurliga. Der Traum vom Profifootball war geweckt worden und konnte so schnell nicht begraben werden. Dieser Traum schien aber erst mal in weite Ferne gerückt zu sein. Er konnte es nicht fassen, als er sah wie sich seine Mitspieler für die Busfahrt mit Bier und Spirituosen eindeckten, während er eine deutlich professionellere Einstellung an den Tag legen wollte. Dem einen oder anderen Kreisligakicker mag das bekannt vorkommen… Die Aston Knights aus der Seaboard Football League waren jedenfalls nicht das was Joe sich erhofft hatte.
Was jetzt kommt klingt eigentlich eher nach einer schlechten Hollywood-Sportkomödie aber es ist tatsächlich passiert. Die Manager des Teams kamen auf die tolle Idee, Joe Klecko unter falschem Namen spielen zu lassen. Sie teilten ihm kurz und knapp mit, er würde jetzt „Jim Jones“ heißen den man von der „Poland University“ geholt habe. Einer Uni die überhaupt nicht existiert. Aber wer würde das bei jemandem mit polnischen Wurzeln schon hinterfragen?
Was war der Grund für die Fassade? Naja, man erkannte das Klecko zu gut war. Zu gut für das Team und die ganze Liga. Man dachte mit dem falschen Namen würde er eine Weile unter dem Radar fliegen. Niemand bei den Aston Knights wollte ihn verlieren und niemand würde „Jim Jones“ mit dem All-State-Performer Joe Klecko in Verbindung bringen. Der Plan schien aufzugehen. Aber nur bis ein Zeugwart der Knights zu einem Collegeteam wechselte. Kaum angekommen bei den Temple Owls erzählte dieser ihnen von „Jim Jones“ und was der alles könne…. Kurze Zeit später war Joe Klecko auf dem College.
Klecko führte die Tackle-Rangliste der Owls drei Jahre in Folge an. Zweimal schaffte er es ins All-East, einmal ins All American Team. In seiner Rookie-Saison schaffte er ein Spiel mit fünf Sacks und 15 Tackles. Sein Talent war also unbestritten und trotzdem schaffte er es nicht, die große Aufmerksamkeit der Profiteams auf sich zu ziehen. Schon damals war zu sehen wie dieser Junge eine Oline auseinandernehmen konnte. Aber in der Draft musste er lange warten bis sein Name aufgerufen wurde. Wir schreiben das Jahr 1974. Sechste Runde. Overall Pick 144. Klecko wird gedraftet von den NEW YORK JETS.
Sein erstes Profijahr war ein Hartes. 3-11 endete die Saison und Klecko allein schien nicht der push gewesen zu sein, den die Defense der Jets benötig hätte. Erst in seinem zweiten Jahr formte sich eine D-Line aus vier Männern die in die Geschichte eingehen sollte. Die New York Sack Exchange bereitete den Jets viel Freude. Gegnerischen OLines und Quaterbacks eher weniger. Diese vier Männer waren eine Urgewalt die unaufhaltsam, unermüdlich und gnadenlos alles aus dem Weg räumte, was sich ihnen entgegen stellen wollte und es tut mir fast weh mich weiter auf nur einen davon konzentrieren zu müssen. Aber den ein oder anderen stellen wir euch in dieser Reihe noch vor und ich möchte nicht vorgreifen. Also zurück zu Joe Klecko. Aussagen von Trainern, Mitspielern und ihm selbst sprechen eine deutliche Sprache. Klecko lebte für das Spiel. Er ist auf dem Spielfeld groß geworden und wollte nirgendwo anders auf der Welt sein. Er hasste es auf der Bank zu sitzen und er hasste es noch mehr, verletzungsbedingt überhaupt nicht spielen zu können. Man sagt ihm nach, er hätte sogar mit gebrochenen Knochen gespielt. Den Satz „He played through everything!“ liest man jedenfalls häufig über ihn.
Zehn Jahre trug Joe Klecko grün-weiß und war aus der Defense nicht wegzudenken. In 155 Spielen schaffte er 24 Sacks. Das klingt nach wenig? Das mag sein. Aber Klecko war kein Einzelkämpfer. Er war Teil einer Gruppe. Vier Männer die einzeln oder in einer anderen Konstellation vielleicht nicht so funktioniert hätten. Man muss seine Zahlen also mal vier nehmen und bekommt dadurch eine ungefähre Ahnung davon, wie furchteinflößend die New York Sack Exchange tatsächlich war. Beispiel gefällig? Allein in der Saison 1981 schafften die vier 66 Sacks! Es ist schade, das die Aufzeichnungen damals nicht so detailliert geführt wurden (oder geführt werden konnten) wie heute. Seine Anzahl an Tackles lässt sich also nur erahnen.
Trotz seiner Erfolge blieb Klecko stets bescheiden. Als sein Sohn es in die NFL schaffte, sagte er ihm er solle auf dem Spielfeld erzielte Erfolge nicht feiern. Er solle seinen Job machen, bis das Spiel gewonnen ist. Dann erst dürfe er jubeln. Würde er ihn jemals dabei erwischen, wie er einen Sack übertrieben feiere, solle er besser anfangen zu rennen. Denn er persönlich würde ihn jagen um ihm den Hintern zu versohlen.
Klecko wechselte im Laufe seiner Karriere die Positionen. Gedrafted als Defensive End wechselte er zunächst auf Defensive Tackle und später dann – aufgrund einer Systemumstellung – zu Nose Tackle. Nun kommt wieder die Frage auf warum dieser Mann nicht in der HoF des Football ist, denn Klecko schaffte es insgesamt vier Mal in den Pro Bowl und das AUF ALLEN DREI POSITIONEN! Außer ihm haben das nur zwei andere Spieler geschafft. Beide sind aufgrund dessen in der HoF….aber nicht Joe Klecko…warum auch immer…
Neben den Pro Bowls schaffte Klecko noch einiges mehr. AFC Defensive Player of the Year (1981), 2× First-team All-Pro (1981, 1985), die New York Jets haben seine Rückennummer 73 retired und selbstverständlich ist er im New York Jets Ring of Honor! Und auch auf die Gefahr hin, dass ich nach Schallplatte mit Sprung klinge – DIESER MANN IST NCHT IN DER HALL OF FAME DES FOOTBALL!?!?! Ich verstehe es einfach nicht. Joe Klecko ist eine Legende. Nicht nur für die Jets. Ich wünsche ihm, das er den Tag noch erleben darf an dem man ihm ein goldenes Jackett überreicht! Es wäre für mich ein Highlight in meinem Dasein als Jets-Fan!
– Heiko