Leon Hess

Der Mann, der die Titanen vernichtete

1964. Die Tinte auf den 1963 unterschriebenen Kaufverträgen ist erst seit kurzem trocken als sich die frisch gebackenen Teambesitzer daran machen alles zu ändern. Das Logo der Tankstellenkette, die einer der fünf Männer betreibt, liefert die Farbe. Die Verhandlungen zum Umzug in ein besseres Stadion waren erfolgreich. Die Lage des Stadions hilft den richtigen Namen zu finden. Kaufpreis im März 1963 für ein bankrottes AFL-Team? 1 Millionen US Dollar. Aufgeteilt auf fünf tüchtige Geschäftsmänner. Einer davon ist Leon Hess, Betreiber besagter Tankstellenkette für den die Farbe Grün für mehr stand als nur für sein Firmenlogo.

Leon Hess wurde 1914 als Sohn litauischer, jüdischer Einwanderer, in New Jersey geboren. Der Vater war gelernter Metzger, versuchte sich in den USA aber als Transportunternehmer. Sein Sohn arbeitete für ihn. Als die Firma während der großen Depression kurz vor dem Aus stand, übernahm der Junior und strukturierte den Laden um. Eine Tankstelle wurde eröffnet und die Transporter gegen Tankzüge ausgetauscht. Das Öl- und Benzingeschäft sollte das Unternehmen retten. Der Weltkriegsveteran ging aggressiv vor, um Konkurrenten auszuschalten. Nach dem Aufbau eines Netzwerks aus kleinen Tankstellen und dem Transportunternehmen folgte bald der Bau seiner ersten Raffinerie. Kaum war die Marke Hess Oil and Chemicals bekannt, baute er das Imperium durch den Aufkauf von Konkurrenten weiter aus. Er bildete die Amerada Hess Corporation und arbeitete als deren CEO bis 1995.

Und was macht man so als Ölmillionär in den Staaten mit seinem Geld? Familie gründen? Klar, gehört dazu. Aber wer etwas auf sich hält kauft sich ein Footballteam. Die heruntergewirtschafteten Titans of New York kamen gerade richtig. Heimatnah und billig. Zusammen mit vier anderen Teilhabern wurde er Besitzer der Titans. Seine Investition betrug 250.000 Dollar. 1 Millionen Dollar für ein Footballteam….Verrückt oder? Die Panthers gingen gerade für über 2 Milliarden über den Ladentisch. Aber 1963 waren diese Millionen schon eine Menge Geld.

Den neuen Besitzern ging es darum den Titans ein neues Gesicht zu verpassen. Der Erfolg war eher mäßig bis dahin. Sie lockten manchmal nur 4000 Zuschauer in die Polo Grounds. Pläne für neue Stadien gab es schon länger. Auch der Stadt war daran gelegen, seinen Sportteams würdige Wirkungsstätten zu verpassen. Aber die Titans sahen nicht wie das Team aus, das die Stadt im sportlichen Wettkampf repräsentieren könnte. Andere Teams aus anderen Sportarten schienen eher die Nase vorn zu haben. Die neuen Owner mussten erst in harte Verhandlungen gehen bevor der Umzug von den Polo Grounds ins Shea Stadium bekannt gegeben werden konnte.

Der erste Schritt war also getan. Aber auch der Look des Teams sollte sich ändern. Und der Name. Aber wie tauft man ein Footballteam? Was ich mir nicht vorstellen kann, ist das jemand vor 53 Hünen, durchtrainierten Athleten und knallharten Typen steht und sagt „Männer, wir werden das härteste Spiel der Welt spielen! Wir werden türkis tragen und unser Name wird „Delphine“ sein!“ Ich meine, wie furchteinflößend ist das denn bitte? Niemals würde jemand….Oh….Na gut….Zurück zu Leon Hess. Der hatte bessere Ideen. Das neue Stadion lag im New Yorker Stadtgebiet, zwischen den zwei Flughäfen. New York war eine Weltstadt. Der Fortschritt nicht aufzuhalten. In keiner anderen Metropole war das voranschreiten der Moderne mehr zu spüren als im Big Apple. Was war also naheliegender als ein Name der Geschwindigkeit, Moderne und die Lage des Stadions besser wiederspiegelt als der Name „JETS“. Und die Farben? Dazu gibt es viele Geschichten. Die unspektakulärste ist zu gleich die Wahrscheinlichste. Leon Hess setzte seinen Willen durch und das Team erhielt die gleichen Farben wie sie die Trucks seiner Firma hatten. Grün und Weiß. Die Titans of New York waren nach nur drei Seasons Geschichte. Über die Geburt der JETS war folgende Nachricht der Owner an die Öffentlichkeit zu lesen:

„Der Standort des neuen Stadions zwischen den beiden großen Flughäfen von New York, Symbole dieser schnellen, modernen Zeit, beeinflusste die Wahl des neuen Namens „JETS“. Es spiegelt den Geist dieser Zeit und den Eifer aller Beteiligten – Spieler, Trainer und Besitzer – wider, New York ein weiteres würdiges Team zu geben. Die Farben Grün und Weiß des neuen Teams wurden aus den gleichen Gründen gewählt, und der Tatsache, dass Grün im Laufe der Zeit immer Hoffnung, Frische und gute Laune bedeutete.“

Als Leon Hess‘ JETS gerade mal ein Jahr alt waren gelang ihnen etwas, das bis dahin selten der Fall war. Als Titans of New York gelang ihnen in der Draft nur wenig. Die meisten Spieler die sie drafteten entschieden sich für ein NFL Team. Die Ligen waren damals noch getrennt und führten ihre Drafts separat durch. Den Spielern war es frei zu entscheiden für wen sie spielten. So gingen den Titans viele durch die Lappen. 1965 war es einem jungen Quaterback namens Joe Namath aber egal welches NFL Team ihn haben wollte. Er entschied sich tatsächlich für die JETS. Auch das kann man auf Leon Hess Konto schreiben. Ohne den richtigen Coach und das passende Umfeld hätte sich Namath vielleicht anders entschieden. Aber es passte einfach. Der Rest ist Geschichte. Aber Joes Geschichte die ihr unter Folge 12 dieser Reihe nachlesen könnt. Wir bleiben bei Leon.

Leon Hess war als Owner nicht weniger aggressiv wie in seinem Business. Über die Jahre hinweg kaufte er einem Miteigentümer nach dem anderen seine Anteile ab. 1984 war er der alleinige Owner der JETS und blieb es bis an sein Lebensende.
20 Jahre nachdem er maßgeblich am Umzug von den Polo Grounds ins Shea Stadium beteiligt war, wechselte er mit den JETS ins Giants Stadium. Nachdem in den Jahren davor immer mal wieder Heimspiele im Giants-Stadium ausgetragen wurden zog man 1984 endgültig dort ein. Seitdem teilen sich beide Teams ein Stadion.

Bis zu seinem Tod 1999 blieb Leon Hess Owner der Jets. In über 30 Jahren hat er viel bewegt. Zu viel um über alles zu berichten. Ob jedes Ereignis mit ihm zusammenhängt? Naja beim Owner sollten alle Fäden zusammenlaufen und er trifft viele Personalentscheidungen. Also ja! Hess hat viele Meilensteine für eine gesunde Zukunft gelegt. Er hat die Franchise geführt wie man ein Unternehmen eben führt. Was ihm verwehrt blieb, war abgesehen vom Super Bowl III, der sportliche Erfolg. Dennoch werden ihm gegenüber wenig Vorwürfe laut wie man sie über den heutigen Owner Johnson hört. Dem wird immer wieder mangelndes Interesse am Team vorgeworfen. Über Hess als Owner liest man allgemein sehr wenig aber eben auch wenig bis keine Vorwürfe dieser Art.
Hess war maßgeblich, in der großen Runde der Owner, an wichtigen Entscheidungen beteiligt. Regeländerungen, Sponsoring, Teamumzüge, Berufung des Commissioners, der Super Bowl und und und.
Über 30 Jahre war er an solchen Entscheidungen beteiligt. Man kann also mit Recht behaupten, das Leon Hess das aus diesem Sport gemacht hat was er heute ist, oder zumindest einen großen Teil dazu beigetragen hat. Ich hoffe die No Fun League wird niemals Realität und das Vermächtnis von Männern wie Leon Hess wird ewig weiter bestehen.

Nach seinem Tod 1999 lagen die Besitzrechte der JETS bei seiner Familie. Diese verkaufte die JETS im Januar 2000 an den heutigen Owner Robert Wood Johnson IV – Erbe des Johnson & Johnson-Unternehmens, dem weltweit umsatzstärksten Herstellers von pharmazeutischen Geräten. Kaufpreis: 635 Millionen US Dollar. Bis heute der vierthöchste Betrag der je für ein NFL-Team bezahlt wurde.

Seine Verdienste wurden gewürdigt. Leon Hess ist Member der New Jersey Hall of Fame (seit 2011), sowie des New York Jets Ring of Honor (seit 2014)!

Ein Owner der sehr Wohl unter die Rubrik “Titans of New York” fällt, obwohl er diese vernichtet hat. Ich mag diese Ironie.

-Heiko